Rechtswidrige Grenzbebauung des Nachbarn verpflichtet die Bauaufsicht nicht zwangsläufig hiergegen vorzugehen
Es kommt nicht selten vor, dass zwischen Nachbarn Streitigkeiten um die Zulässigkeit von Baulichkeiten im Grenzbereich der Grundstücke entstehen. Widerspricht die Grenzbebauung des einen Nachbarn den baurechtlichen Vorschriften liegt der Gedanke nahe, dass der andere Nachbarn einen rechtlichen Anspruch darauf hat, dass die Bauaufsichtsbehörde hiergegen vorgeht und rechtmäßige Zustände wiederherstellt.
Ermessen der Behörde
Dies ist allerdings nicht zwangsläufig der Fall. Ein bauaufsichtliches Einschreiten liegt im Ermessen der Behörde. Nur wenn sich der Ermessensspielraum derart reduziert, dass nur noch das Einschreiten als einzige Möglichkeit verbleibt (sog. Ermessenreduktion auf Null) kann der betroffene Nachbar einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Einschreiten der Baubehörde für sich geltend machen.
Entscheidung des VGH München
Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs München vom 29. Januar 2024, Az. 1 ZB 22.2090, befasst sich mit einer Klage eines Nachbarn auf Einschreiten der Bauaufsicht hinsichtlich eines an der Grundstücksgrenze errichteten Garten- bzw. Gerätehauses. Das Gericht hat die Klage abgewiesen und festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf ein Vorgehen der Bauaufsichtsbehörde habe.
Gerinfügige Beeinträchtigungen reichen nicht aus
Die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift, insbesondere des Abstandsflächenrechts allein reicht nicht aus, um das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde auf Null zu reduzieren.
Eine Ermessensreduzierung ist nur anzunehmen, wenn die Beeinträchtigung durch die rechtswidrige Anlage einen erheblichen Grad erreicht und die Abwägung mit dem Schaden des betroffenen Nachbarn ein deutliches Übergewicht der nachbarrechtlichen Interessen ergibt. Ein Rechtsanspruch bestehe insbesondere, wenn eine unmittelbar, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonstige unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind.und die nachbarlichen Interessen überwiegen. Eine Pflicht zum Einschreiten bestehe nicht schon dann, wenn es sich nur um geringfügige Beeinträchtigungen handelt.
Im Fall war das Gartenhäuschen des Nachbarn 3,0 m lang und nur auf einer Länge von ca. 2,10 m vom gegenüberliegenden Grundstück aus sichtbar und dies in einem Gartenbereich, der ohnehin weniger zum Aufenthalt oder zur sonstigen Nutzung geeignet war. Zudem hatte der klagende Nachbar in diesem Bereich selbst ein Gartenhäuschen stehen, so dass Aspekte der nicht ausreichenden Belichtung und Belüftung als Schutzzwecke des Abstandsflächenrechts eher nachrangig zu berücksichtigen waren.
Zu berücksichtigen war auch, dass die Grenzbebauung wohl seit fast 20 Jahren bestand und damit zum Ausdruck komme, dass der Kläger die Grenzbebauung augenscheinlich über diesen längeren Zeitraum selbst nicht als wesentlich beeinträchtigend empfunden haben muss. Insofern ist es auch der Bauaufsicht möglich, ein Einschreiten wegen geringfügiger Beeinträchtigung abzulehnen.
(eingestellt am 24.05.2024)
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