
Beschluss über bauliche Veränderung kann ein faktisches Sondernutzungsrecht für den Bauwilligen entstehen lassen
Grundsätzlich kann die Zuweisung von Gemeinschaftseigentum zur alleinigen Nutzung an einen bestimmten Wohnungseigentümer und damit der Ausschluss der anderen Wohnungseigentümer vom Mitgebrauch nur durch Vereinbarung geregelt werden, aber nicht mittels Beschluss.
Die Vereinbarung bedarf der Mitwirkung aller Wohnungseigentümer, die Beschlussfassung dagegen nur der einfachen Mehrheit in der Eigentümerversammlung. Mit dem seit 01.12.2020 geltenden WEG hat sich dies teilweise geändert. Unabhängig vom Recht der baulichen Veränderungen nach § 20 WEG bleibt zwar alles beim Alten, ein Sondernutzungsrecht kann grundsätzlich nur durch eine Vereinbarung eingeräumt werden. Wenn der Gegenstand der Beschlussfassung allerdings eine bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 1 WEG betrifft, kann dies anders sein.
Bei einer baulichen Veränderung kann es dazu kommen, dass durch deren Umsetzung die Nutzung des Gemeinschaftseigentums faktisch einem oder mehreren Wohnungseigentümern zugewiesen und andere von der Nutzung des Gemeinschaftseigentums ausgeschlossen werden. Es entsteht also mit der baulichen Veränderung mehr oder weniger zwangsläufig ein sog. faktisches Sondernutzungsrecht.
Beispiel: "In der Wohnungseigentümergemeinschaft gibt es eine Vereinbarung, wonach auf einer bestimmten Gemeinschaftsfläche für alle Wohnungseigentümer erreichbare Mülltonnenstellplätze errichtet werden sollen. Diese Nutzung wird aber über Jahre nicht umgesetzt. Einige Wohnungseigentümer wollen nunmehr die Genehmigung zur Errichtung von Gartenhütten auf dieser Fläche erhalten, um dort deren Fahrräder und Gartenwerkzeuge abstellen zu können. Diese Gartenhütten sollen nur die Bauwilligen (welche auch die Kosten hierfür tragen) nutzen dürfen, die anderen Wohnungseigentümer wären demgemäß zwangsläufig von der Nutzung der Gartenhütten und damit von der Nutzung der bisherigen Gemeinschaftsfläche ausgeschlossen. An der Gemeinschaftsfläche entsteht somit durch die Gartenhütten ein sog. faktisches Sondernutzungsrecht zu Gunsten der jeweiligen Gartenhüttenbesitzer."
Der BGH (Urteil vom 19.07.2024, V ZR 226/23) hat nunmehr entschieden, dass ein Beschluss über eine bauliche Veränderung nicht bereits deshalb unrechtmäßig ist, weil mit einer baulichen Veränderung ein faktisches Sondernutzungsrecht einhergeht. Für die Begründung dieses sog. faktisches Sondernutzungsrechts bedarf es insoweit keiner zusätzlichen Vereinbarung. Diese (Neben-) Folge einer baulichen Veränderung ist nach der Neuregelung des WEG hinzunehmen. Ein Beschluss über die baulichen Veränderung reiche insoweit aus, das Entstehen eines damit einhergehenden faktischen Sondernutzungsrechts zu rechtfertigen.
Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn in einer Vereinbarung eine bestimmte bauliche Maßnahme explizit ausgeschlossen ist. Dies wäre z.B. der Fall, wenn in der Gemeinschaftsordnung etwa vorgesehen ist, dass die Errichtung von Baulichkeiten jeglicher Art in einem bestimmten Bereich des Gemeinschaftseigentums nicht gestattet ist.
Davon zu unterscheiden, ist die Frage, ob ein Beschluss über eine bauliche Veränderung und das damit einhergehende faktische Sondernutzungsrecht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Dies kann im Rahmen einer Anfechtungsklage natürlich nach wie vor geprüft werden. Nur kann eben nicht mehr argumentiert werden, dass allein das Entstehens eines faktischen Sondernutzungsrechts den Beschluss über die bauliche Veränderung rechtswidrig macht.
(eingestellt am 21.01.2025)
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